Bedürftigkeitsunabhängige Assistenzleistungen

Es gibt auch positive Beispiele

Novellierung des Conterganstiftungsgesetzes / Bundesteilhabegesetz im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention Artikel 4 – Allgemeine Verpflichtungen

Einleitung

Bild: Packung mit 12 Tabletten Contergan® forte, © GEMEINFREIMit der Ratifizierung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen (UN-BRK) hat sich Deutschland dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass neue Gesetzgebungsmaßnahmen nicht hinter den Anforderungen der UN-BRK zurückbleiben dürfen (Artikel 4 UN-BRK). Im Falle der Novellierung des Gesetzes über die Conterganstiftung für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz – ContStifG) im Jahr 2013 wurde deutlich, dass der Artikel 4 UN-BRK weitreichende Auswirkungen haben wird. Seit August 2013 sind Menschen mit einer Conterganschädigung vollständig vom Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens bei Bezug von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) freigestellt.

Artikel 4 UN-BRK

(1) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten,

  1. alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen;
  2. alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen;
  3. den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und allen Programmen zu berücksichtigen;
  4. Handlungen oder Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind, zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass die Träger der öffentlichen Gewalt und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit diesem Übereinkommen handeln;
  5. alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen;

§ 18 Abs. 2 ContStifG

Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist der leistungsberechtigten Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nach § 19 Absatz 3, § 87 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht zuzumuten. Der Einsatz des Vermögens der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Absatz 3, § 90 Absatz 3 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch stellt eine Härte dar.

Das Bundesteilhabegesetz im Kontext von Artikel 4 UN-BRK

Aus Artikel 4 Abs. 1 a) sowie d) ist zu schlussfolgern, dass Gesetzgebungsmaßnahmen, wie z.B. die Novellierung des Conterganstiftungsgesetzes oder das bevorstehende Bundesteilhabegesetz, nicht hinter den Anforderungen der UN-BRK zurückbleiben konnten bzw. können.

Doch was der Gesetzgeber konsequent im Falle der Menschen mit Conterganschädigungen hinsichtlich der Freistellung vom Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens bei Bezug von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII vollzogen hat, greift z.B. die 90. ASMK bei allen übrigen Menschen mit Behinderungen lediglich als Prüfauftrag an den Bund auf und verstößt damit gleichzeitig gegen Artikel 5, 12 und 28 der UN-BRK.

Warum die Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit nur für Menschen mit Conterganschädigungen gelten soll, ist nicht vermittelbar. Stattdessen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz eklatant verletzt. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, diesen Missstand unverzüglich zu beheben und das Bundesteilhabegesetz einkommens- und vermögensunabhängig auszugestalten, und zwar bzgl. aller Fachleistungen.

 Novellierung des Conterganstiftungesetzes