Heike Schmidt

Heike Schmidt (Geb. 1963), Wohnort Heidelberg

Heike Schmidt (Geb. 1963), Wohnort Heidelberg

Höchster Bildungsabschluss: Diplom in Psychologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; Weiterbildung in Verhaltenstherapie Erwachsener zur Erlangung der Approbation; Arztregistereintrag in der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordbaden seit 1999; volle Niederlassung seit 1999 als psychologische Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Psychotraumatologie und Psychoonkologie

Derzeit ausgeübte Tätigkeit: ambulante Psychotherapie in eigener Praxis (Selbstständigkeit)

Erworbene Behinderung: Tetraparese (schlaffe Lähmung an Armen und Beinen) im Alter von 15 Jahren aufgrund einer Virusinfektion in einer Klinik, in der ich wegen einer Lungenentzündung behandelt worden war. Aufgrund sehr schwierigerer Familienverhältnisse hatte ich ab diesem Alter weder finanziell noch anderweitig familiäre Unterstützung.

Folgen der Behinderung

Ich brauche in allen Bereichen des täglichen, persönlichen, sozialen und beruflichen Lebens Assistenz.

Folgen der Assistenz

Allgemein Das Beste zuerst: Assistenz ist DIE Basis meines täglichen, persönlichen, sozialen und vor allem beruflichen Lebens. Sie ermöglicht mir Selbstbestimmung, Teilhabe und Bildung. Seit 1984 erhalte ich Assistenz, die fast durchgehend vom zuständigen Sozialhilfeträger finanziert wurde. Von 1992 bis 2010 organisierte ich meine Pflege selbstständig im sogenannten Arbeitgebermodell. Von 2010 bis 2012 finanzierte ich unter hohen Anstrengungen meine Pflegeaufwendungen aus eigenen Einkünften. Nach einer schweren Blutdruckkrise 2012 musste ich zum Sozialhilfeträger zurück gehen, und beantragte Hilfe zur Pflege in Form des persönlichen Budgets.
Kurz und knapp: Meine selbstständig ausgeübte Tätigkeit und geltendes Sozialrecht sind inkompatibel. Ich habe betriebswirtschaftlich und beruflich betrachtet nicht die gleichen Chancen, dafür aber die gleichen Pflichten wie meine nicht behinderten selbstständigen Kollegen. Am Ende bleibt mir finanziell trotz „selbst und ständiger“ Arbeit nur wenig mehr als einem Sozialhilfeempfänger.
Vermögen Die Bildung von Rücklagen über 2600 Euro ist unmöglich, z.B. für den Krankheitsfall, Praxisinventar, Praxisimmobilie, Steuerrücklagen, Praxisausfall, Fortbildungen. Selbstständige sind darauf angewiesen, Rücklagen zu bilden. Sollte ich länger erkranken, wäre ich binnen kürzester Zeit insolvent. Alle Kosten laufen weiter, aber die Einnahmen nicht.
Steuervorauszahlungen können den Betrag von 2600 Euro schnell mal übersteigen bzw. Steuernachzahlungen in die Tausende gehen. Eine hohe Steuernachforderung zwang mich 2014 zum Verkauf der Hälfte meines Praxissitzes. Was das bedeutet? Lebenslang ein engeres Stundenkontingent für Patienten, eingeschränkte berufliche Selbstbestimmung und finanzieller Verlust.
Einkommen Mein monatliches Einkommen ist aufgrund vieler Faktoren, z.B. Patientenzahlen, Honorarschwankungen, unregelmäßig auftretenden Rechnungen weder sicher vorauszusagen noch stabil zu halten. Der selbst zu erbringende Eigenanteil an den Pflegekosten basiert aber genau auf so einem monatlich gleich bleibenden Einkommen. Erst der Steuerbescheid ergibt die tatsächlichen Zahlen. Die letzten ergangenen Steuerbescheide deckten sich zeitlich nie mit dem Beantragungszeitpunkt auf Weiterbewilligung des persönlichen Budgets. Bisher fiel der Eigenanteil meist zu hoch, und das persönliche Budget zu niedrig aus. Aufgrund dessen zahlte ich 2013 einen hohen vierstelligen Betrag über den bereits geleisteten monatlichen Eigenanteil hinaus zu.
Bildung In meiner Branche ist berufsbegleitende Weiterbildung die wichtigste Grundlage für beruflichen Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit. Zum Beispiel kann ich europäische und internationale Konferenzen oder Fortbildungen nicht besuchen, da mir dafür die Rücklagen fehlen und die Hilfe zur Pflege auf Deutschland beschränkt ist. Damit bin ich von wichtigen Bildungs- und Wettbewerbschancen ausgeschlossen.
Versicherungen und Altersvorsorge Die meisten Versicherungen, auf die ich aus beruflichen Gründen angewiesen wäre, schließen mich aufgrund meiner Behinderung aus, z.B. private Krankenversicherungen, Praxisausfallversicherungen, Versicherungen im Krankheits-, Versehrten- bzw. Todesfall.
Meine Lebensversicherung zur Altersvorsorge beispielsweise wurde vom Sozialhilfeträger nur auf der Basis einer monatlichen Rente erlaubt. Das Kapitalwahlrecht musste dabei ausgeschlossen werden. Die Flexibilität einer kapitalbildenden Lebensversicherung, wie sie für Selbstständige üblich ist, bleibt mir verwehrt. Das bedeutet: Altersarmut oder der unbedingte Erhalt von Gesundheit und Erwerbstätigkeit. Hinzu kommt: Nach jetzigem Stand der Dinge werde ich von meinen zukünftigen Rentenbezügen kaum etwas haben, da sie wie jedes andere Einkommen auf alle in Frage kommenden Hilfen angerechnet werden.
Familie und Partnerschaft Heiraten war wegen der für einen möglichen Partner geltenden harten Beschränkungen für mich nie ein Thema. Am abschreckendsten ist aber immer noch die Tatsache, dass selbst nach einer Scheidung der nicht behinderte Ehepartner weiterhin finanziell herangezogen wird. Argument: Er/Sie sei ja offenen Auges in sein/ihr Verderben gerannt.

Fallbeispiel Heike Schmidt