AG Bundesteilhabegesetz: Ein Rückblick

Vortrag Dr. Sigrid Arnade, Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. und Mitglied der AG Bundesteilhabegesetz

Dr. Sigrid Arnade (ISL e.V. und Mitglied der AG Bundesteilhabegesetz)

Dr. Sigrid Arnade (ISL e.V. und Mitglied der AG Bundesteilhabegesetz)

Präsentation Dr. Sigrid Arnade

Präsentation Dr. Sigrid Arnade

Nachfolgend stichpunktartig die wichtigsten Aussagen zum Vortrag. Es handelt sich hierbei um ein Gedächtnisprotokoll, sodass die Vortragende ggf. nicht immer absolut detailgetreu widergegeben wurde.

Wir empfehlen die  Präsentation und die Anmerkungen „parallel“ zu lesen.


Partizipationsgebot der UN-BRK

Seite 4 der Präsentation

  • Partizipation ist mehr als Teilhabe
  • Übersetzungsfehler haben stattgefunden
  • englische ‚participation’ durchgängig falsch mit Teilhabe übersetzt
  • auch in der Schattenübersetzung, wird in neuer Auflage korrigiert
  • Partizipation von Selbstvertretungsverbänden [Abkürzung: DPO Disabled Persons’ Organizations] auch in den ‚Concluding Observations’ [Abkürzung: CO] des UN-Fachausschusses angemahnt

Partizipation in der Praxis

Seite 7 der Präsentation

  • nach Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention 2006 Sendepause
  • gab überhaupt keine Partizipation mehr
  • Übersetzung ins Deutsche ohne Beteiligung
  • haben mitbekommen, dass ‚inclusion’ mit ‚Integration’ übersetzt werden soll
    • mit Kanzlerin Merkel gesprochen
    • Merkel: „Das geht ja gar nicht.“ und dennoch nicht verhindert
  • Einbahnstraße in der Kommunikation
  • schrieben Briefe und Mails, keine Antwort
  • beim Staatenbericht und Nationalen Aktionsplan wollte man es besser machen
    • zu vielen Gremien, Veranstaltungen, Konferenzen eingeladen
    • aber Entscheidungen ohne uns getroffen
    • wurden auch nicht informiert
    • Beispiel: Bei einer Konferenz wurde mehrheitlich für eine Streichung des Mehrkostenvorbehalts in § 13 SGB XII votiert.
      • Gründe für Nicht-Umsetzung wurden nicht kommuniziert
      • partizipativer Prozess sieht anders aus

Sitzungen mit folgenden TOPs

Seite 10 der Präsentation

  • Sitzung: Soziale Teilhabe sollte Thema sein, einschließlich Assistenzleistungen
  • stand nur in der Überschrift, kam aber sonst nicht weiter vor

Auftrag der AG Bundesteilhabegesetz

Seite 11 der Präsentation

  • ging nicht darum, das Gesetz zu schreiben
  • ging nur darum, Positionen auszutauschen

Teilhabe am Arbeitsleben

Seite 14 der Präsentation

  • Diskussion ging primär um die Werkstätten für behinderte Menschen
  • andere Bereiche (Arbeitsleben) waren unterrepräsentiert
  • weitgehende Einigkeit, dass es Alternativen zu Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Budget für Arbeit in diesem Zusammenhang geben muss
  • Rückkehrrecht für Menschen mit Behinderungen in die Werkstätten muss gegeben sein
  • muss Teilhabe am Arbeitsleben für alle geben
  • Menschen in sog. tagesstrukturierenden Einrichtungen müssen auch die Möglichkeit haben, am Arbeitsleben teilzunehmen
  • Budgets von der Bundesanstalt für Arbeit (Eingliederungszuschüsse) werden nicht genutzt

Soziale Teilhabe/Geldleistungen

Seite 15 der Präsentation

  • Poolen bedeutet, dass Assistenten für mehrere Menschen da sind
  • z.T. sinnvoll bei Schulassistenz
  • im Bereich der Persönlichen Assistenz/pflegerischen Assistenz Gefahr der Einschränkung der freien Wohnortwahl
  • gab diesbezüglich Auseinandersetzungen in der AG
  • DBR: Poolen nur auf ausdrücklichen Wunsch

Bedürftigkeits(un)abhängigkeit

Seite 17 der Präsentation

  • DBR: vollständige Unabhängigkeit von Einkommen und Vermögen ist ein Herzstück der Reform
  • Stufenmodell
    • Schulassistenz wurde von Einkommens-/Vermögensanrechnung freigestellt
    • dann Eltern von behinderten Kindern vom Einbringen eigenen Einkommens und Vermögens freigestellt bis auf einen Pauschalbetrag von 31,06 Euro/Monat
    • folgerichtiger weiterer Schritt: alle betroffenen Menschen freizustellen
  • kann nicht sein, dass Behinderung arm macht
    • nicht die Betroffenen
    • nicht ihre Angehörigen
  • Hilfe zur Pflege darf nicht vergessen werden
  • kann nicht sein, dass Eingliederungshilfe dann einkommens- und vermögensunabhängig ist und den Leuten das bei der Hilfe zur Pflege wieder abgenommen wird
  • diesbezüglich keine einheitliche Position in der AG Bundesteilhabegesetz
  • DBR-Verbände waren sich einig

Unterarbeitsgruppe Statistik/Quantifizierung – UAG SQ

Seite 19 der Präsentation

  • Studienauftrag an ein Institut bzgl. Einkommens- und Vermögensanrechnung, da gesagt wird, die Verwaltungskosten sind viel zu hoch
  • Institut kam zu dem Schluss „stimmt nicht“ (sagt auch BAGüS)
  • „denke, das stimmt nicht “

Einige Zahlen – Mehrkosten

Seite 20 der Präsentation

  • Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit mit allen Risiken auf max. 580 Mio. Euro geschätzt
  • es wurde deutlich mehr erwartet
  • Freistellung der heutigen Eingliederungshilfeempfänger: 240 Mio. Euro
  • zusätzliche Kosten durch Zustrom neuer Leistungsempfänger: 340 Mio. Euro

Publikumsfrage: „Das würde ja bedeuten, dass es mindestens noch mal so viele Leistungsempfänger zusätzlich geben würde. Kann das sein?“

Antwort Dr. Arnade:

  • risikomäßig geschätzt, sehr hoch
  • Einspareffekte nicht gegengerechnet
  • man kann sagen, es wird billiger

Antwort Nellen:

  • in der UAG berechnete Zahlen beruhen in der Tat auf Annahmen und Schätzungen
  • großer Wert der Zahlen liegt darin, dass sich die UAG hierauf verständigt hat
  • breiter Konsens
  • Länder, BAGüS, Vertreter vom DBR und BMAS waren vertreten
  • UND Bundesfinanzministerium
  • wichtig im Gesetzgebungsverfahren zur Gesetzesfolgenabschätzung
  • zur weiten Spanne (240 – 580 Mio. Euro):
    • es wurden Annahmen getroffen zum Zuwachs bei den Leistungsempfängern (1,3 % – 1,8 % bei Beziehern von Leistungen für stationäres Wohnen, 4 % – 10 % bei den ambulanten Leistungen), wenn Eingliederungshilfe vollständig freigestellt wird

Gegenfinanzierung/Minderkosten der „Eingliederungshilfe“

Seite 21 der Präsentation

  • Budget für Arbeit spart 2 – 105 Mio. Euro
    • wenn Menschen aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen rausgehen und Assistenzleistung bekommen plus Minderausgleich an den Arbeitgeber
    • Werkstatt-Rentenbezügen
    • Werkstätten für behinderte Menschen kosten sehr viel Geld
  • auch Eigenbeteiligung von behinderten Menschen gerechnet (nicht bei nicht Grundsicherungs- oder Hartz-IV-Bezug)
    • Höhe 31,06 Euro pro Monat
    • entspricht dem, was Eltern von behinderten Kindern an Eigenbeteiligung zahlen ohne Einkommensüberprüfung
    • würde Einnahmen i.H.v. 66 – 71 Mio. Euro ergeben
    • gegenrechnen zu 580 Mio. Euro
  • Krankenversicherung/Pflegeversicherung
    • wenn häusliche Krankenpflege in Heimen systemkonform von der Krankenversicherung gezahlt werden würde: Entlastung der Eingliederungshilfe i.H.v. 170 – 220 Mio. Euro
    • Ähnlich bei der medizinischen Behandlungspflege in Heimen
      • Krankenversicherung müsste übernehmen
      • Entlastung der Eingliederungshilfe: 600 – 700 Mio. Euro
    • wenn Pflegeversicherungen Pflegeleistungen in Heimen in Gänze zahlen würden: Entlastung der Eingliederungshilfe i.H.v. 1,6 Mrd. Euro
    • Unterschied zwischen ambulant und stationär soll aufgehoben werden, somit logische Konsequenz

Abschließende Bemerkungen – COs

Seite 24 der Präsentation

  • 13 SGB XII soll novelliert werden (Mehrkostenvorbehalt)

Publikumsanmerkung: „§ 9 Abs. 2 SGB XII nicht vergessen. Dort steht auch der Kostenvorbehalt drin.“

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