Faktencheck Bestandsschutz
Zitat aus dem Referentenentwurf zum BTHG
§ 150 (Übergangsregelung zum Einsatz des Einkommens)
„Abweichend von Kapitel 9 sind bei der Festsetzung von Leistungen für Leistungsberechtigte, die am 31. Dezember 2019 Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 erhalten haben und von denen ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze gemäß § 87 des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 gefordert wurde, die am 31. Dezember 2019 geltenden Einkommensgrenzen nach dem Elften Kapitel des Zwölften Buches in der Fassung vom 31. Dezember 2019 zugrunde zu legen, solange der nach Kapitel 9 aufzubringende Beitrag höher ist als der Einkommenseinsatz nach dem am 31. Dezember 2019 geltenden Recht.“
Die Fakten
Die Grafik illustriert den sog. Bestandsschutz hinsichtlich der Einkommensanrechnung für Menschen mit Behinderung, die bereits vor Inkrafttreten der zweiten Stufe des Bundesteilhabegesetzes ab 2020 Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten haben. Ein Bestandsschutz ist nur deshalb erforderlich, da sich tatsächlich auch Verschlechterungen durch das Bundesteilhabegesetz ergeben können (vgl. Faktencheck Einkommensanrechnung). Inzwischen räumt selbst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein, dass es hierzu kommen kann (vgl. Fragen und Antworten zum Bundesteilhabegesetz):
„Da aufgrund des Wechsels vom Netto- zum Bruttoeinkommensansatz nicht für jeden Einzelfall ausgeschlossen werden kann, dass die neue, generell großzügigere, Einkommensheranziehung ab 2020 bei höheren Einkommen zu Verschlechterungen führt, gibt es eine Vertrauensschutzregelung, die diesen Effekt ausschließt. Damit erhalten alle, die durch das neue Recht schlechter gestellt sein könnten, weiterhin das, was ihnen bisher zustand. Schlechterstellungen könnten ansonsten im Einzelfall eintreten, wenn im bisherigen Recht nach dem Nettoprinzip große Abzüge vom Einkommen z.B. auf Grund individuell zuerkannter außergewöhnlicher Belastungen anerkannt wurden.“
Die „Altfälle“ sollten sich aber dadurch nicht in Sicherheit wiegen. Der Bestandsschutz steht für sie ebenfalls auf wackeligen Beinen. So könnte der Bestandsschutz entfallen und höhere Eigenbeiträge zur Folge haben, wenn
- die Arbeitstätigkeit z.B. aufgrund einer Babypause, eines Sabbatjahres oder wegen Arbeitslosigkeit länger unterbrochen wird.
- der Assistenzbedarf sich ändert und der Sozialhilfeträger den Fall neu bewertet.
Für Leistungsberechtigte, die erst nach 2019 einen Eigenbeitrag aus ihrem Einkommen zahlen müssen, gilt dieser Bestandsschutz selbstverständlich nicht. So wird ein Student mit Assistenzbedarf und Pflegestufe III, der nach dem 31.12.2019 sein Studium abschließt und dann erstmals ein Einkommen erzielt, einen deutlich höheren Eigenbeitrag leisten müssen als sein Kommilitone in gleicher Situation, der sein Studium vor 2020 abschließen konnte. Auch wenn sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hierzu nicht äußert: Das ist ohne Zweifel eine Schlechterstellung!
Die Grafik zeigt, dass der Bestandsschutz zum Einsatz des Einkommens lediglich eine trügerische Sicherheit darstellt. Der Bestandsschutz kann bei längeren Unterbrechungen der Arbeitstätigkeit oder bei Änderungen des Assistenzbedarfs erlöschen. Höhere Eigenbeiträge aus dem eigenen Einkommen sind die Folge. Der Bestandsschutz gilt nicht für Leistungsberechtigte, die nach 2019 erstmals einen Eigenbeitrag leisten müssen.
Stand: 17.07.2016