Die Geburtsstunde des Bundesteilhabegesetzes
Aufgrund der stetig steigenden Ausgaben forderten die Länder eine Reform der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und die Beteiligung des Bundes an den Kosten. Im Jahr 2012 machte der Bund erstmals im Rahmen der Verhandlungen zum europäischen Fiskalpakt die Zusage, sich an den Sozialausgaben, etwa bei der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, zu beteiligen. So stand zunächst auch nur die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und die Entlastung der Länder und Kommunen im Fokus. Die inhaltliche Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe zu einem modernen und einkommens- und vermögensunabhängigen Teilhaberecht spielte nur eine untergeordnete Rolle.
Das Bundesteilhabegesetz im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Nach der Bundestagswahl 2013 nahm sich die große Koalition aus CDU, CSU und SPD der Reform der Eingliederungshilfe an. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart:
Wir werden ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung (Bundesteilhabegesetz) erarbeiten. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes wird der Bund zu einer Entlastung der Kommunen bei der Eingliederungshilfe beitragen. Dabei werden wir die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung so regeln, dass keine neue Ausgabendynamik entsteht.
Was die inhaltliche Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe anbetraf, nahm der Koalitionsvertrag eindeutig Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention und dokumentierte somit die Notwendigkeit längst überfälliger gesetzlicher Regelungen für die Teilhabe behinderter Menschen. Dazu gehörte das Wunsch- und Wahlrecht, die Bedarfsdeckung und die Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit von Assistenzleistungen. Darüber hinaus wurde die kontinuierliche Beteiligung der Menschen mit Behinderung und ihrer Verbände am Gesetzgebungsprozess festgeschrieben:
Eingliederungshilfe reformieren – Modernes Teilhaberecht entwickeln
Die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen für mehr Inklusion brauchen einen sicheren gesetzlichen Rahmen. Wir werden deswegen unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung erarbeiten. Dabei werden wir die Einführung eines Bundesteilhabegeldes prüfen.
Wir wollen die Menschen, die aufgrund einer wesentlichen Behinderung nur eingeschränkte Möglichkeiten der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben, aus dem bisherigen „Fürsorgesystem“ herausführen und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickeln. Die Leistungen sollen sich am persönlichen Bedarf orientieren und entsprechend eines bundeseinheitlichen Verfahrens personenbezogen ermittelt werden. Leistungen sollen nicht länger institutionenzentriert, sondern personenzentriert bereitgestellt werden. Wir werden das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigen. Menschen mit Behinderung und ihre Verbände werden von Anfang an und kontinuierlich am Gesetzgebungsprozess beteiligt.
Im Interesse von Kindern mit Behinderung und ihren Eltern sollen die Schnittstellen in den Leistungssystemen so überwunden werden, dass Leistungen möglichst aus einer Hand erfolgen können.
Was sich die Koalitionäre hier vorgenommen hatten, glich der Quadratur des Kreises: Leistungsverbesserungen für Menschen mit Behinderungen, die aber nichts kosten durften („keine neue Ausgabendydamik“). Bereits zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass das Bundesteilhabegesetz die Menschen mit Behinderung enttäuschen wird.