Das Bundesteilhabegesetz – Recht trifft auf Kostenvorbehalt

Beitrag von Dr. Oliver Tolmein

Minimalanforderung an das Bundesteilhabegesetz (BTHG)

  • Viele strategische Ansatzpunkte für offensive Diskussion um BTHG durch UN-Behindertenrechtskonvention
  • Viele Interessensgruppen mit vielen unterschiedlichen Standpunkten sind in Diskussion um BTHG involviert
  • In der derzeitigen Debatte (Stichwort Ausgabendynamik) lauern einige Gefahren, die für bestimmte Gruppen sogar zu Verschlechterungen führen könnten
  • Neben dem was wünschenswert ist, muss man in der derzeitigen Situation auch darüber nachdenken, was man auf gar keinen Fall im BTHG haben will
  • Auf jeden Fall dürfen sich durch die neuen Regelungen keine Verschlechterungen ergeben
  • Gefahr für zukünftige, gerichtliche Auseinandersetzungen: wenn jetzt eine gesetzliche Regelung geschaffen wird, wird es auch sehr schwer vor dem Bundessozialgericht Urteile in eine andere Richtung zu bekommen

Potential von Veränderungen im Bildungsbereich

  • Bildungsbereich hat eine große Perspektive
  • Menschen, die heute in Kindergärten, Schulen oder Universitäten gehen, werden irgendwann Entscheidungsträger sein
  • Es ist wichtig, dass diese Entscheidungsträger der Zukunft möglichst bald eine andere Art von Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung erleben
  • Nur mit einer Schulbegleitung für Menschen mit Behinderung ist es nicht getan, um inklusiven Unterricht zu schaffen
  • Es muss eine Qualitätsdebatte um inklusiven Unterricht geführt werden
  • Beispiel einer Grundschule in Hamburg-Altona:
    • Inklusion im Schulgesetz in Hamburg formal fest verankert
    • Aber in der Praxis: Bei drei Grundschulklassen gibt es beispielsweise vier Kinder mit Behinderung – diese sind dann in einer Klasse
    • Die Klasse mit den Kindern mit Behinderung wird dann anders behandelt als die anderen Klassen, dort unterrichtet nämlich ein Sonderpädagoge. Effekt: Eltern wollen ihr nichtbehindertes Kind dort lieber nicht haben, weil sie qualifzierten Grundschulunterricht und keinen verkappten Sonderpädagogischen Unterricht wünschen.
    • Das ist nicht inklusiv.

Verlagerung von Mitteln aus der Werktstatt in den ersten Arbeitsmarkt

  • Von zentraler Bedeutung für Menschen mit psychischen und intellektuellen Beeinträchtigungen
  • Es müssen Modelle gefunden werden, wie für diese Menschen im ersten Arbeitsmarkt die Sozialversicherungen gesichert werden können
  • Aktuelle Modelle (z.B. unterstützte Beschäftigung aus SGB IX) spiegeln nicht die Bedürfnisse der betroffenen Personen wieder
  • Einige sehr komplizierte Rechtsstreitigkeiten in dem Bereich, da keine klaren Regelungen existieren

Neuregelung von Assistenz

  • Zusammenführung der verschiedenen Assistenzmodelle: Arbeitsassistenz, Assistenz der Eingliederungshilfe, Assistenz nach Hilfe zur Pflege
  • Muss ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen geregelt werden
  • Gutes Beispiel § 18 Conterganstiftungsgesetz: mit engagierter Lobbyarbeit wurde eine Regelung durchgesetzt, die für Contergangeschädigte mit Assistenzbedarf Anrechnung von jeder Form von Einkommen- und Vermögen grundsätzlich ausschließt (also nicht nur Conterganrenten freilässt).

Politische Arbeit im Behindertenrecht

  • Aktuelle Prozesse müssen politisch begleitet werden
  • Sozialrecht ist ein politisches Recht
  • Journalisten und Medienvertreter müssen auf Sozialrechtsprozesse aufmerksam gemacht werden.
  • Sozialrechtsprozesse meist genauso menschlich, dramatisch und aufregend wie Strafprozesse
  • Es ist wichtig, dass im Behindertenrecht eine Szene entsteht, um eine interne Kommunikation zu ermöglichen
  • Als Einzelkämpfer kann man in diesem Bereich nur selten etwas erreichen

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